Genussvolle Landgeschichte(n): Maria auf dem Hügel

Auf den zweiten Blick: Wallfahrtskirche Maria Schnee in Lichtenegg

Folke Tegetthoff erzählt von der Entstehung und Namensfindung der Wallfahrtskirche Maria Schnee.

Wenn wir die Geschichte der Wallfahrtskirche Maria Schnee in Lichtenegg erzählen wollen, müssen wir einen kleinen Ausflug machen – der „Genussvolle Blick“ wird uns dabei wieder helfen, er will uns ja glücklich und wissend sehen …

Wir stehen also dort oben, in Kaltenberg, auf einem der 1000 Hügel, und schon dreht er für uns am Rad der Zeit, nur ein bisschen, nur so ungefähr 1670 Jahre zurück. Und weil er nicht nur die Zeit, sondern auch den Raum verzaubern kann, sehen wir jetzt auch, nur 891 Kilometer entfernt, das prachtvolle Rom mit seinen 1000 Kirchen.

Dorthin hat der Himmel Maria gesandt, für ein kleines Wunder auf Erden (wie meist geht es um einen Kinderwunsch …). Dafür erhofft man sich im Gegenzug ein nettes, neues Kirchlein. Maria, nicht nur echt heilig, sondern auch echt kreativ, lässt es im August bei 36 Grad im Schatten partiell auf kleinstem Raum schneien, um klar zu verdeutlichen, wo sie sich das neue Gotteshaus wünsche. Das Wunder ist ein Klacks, die so reich Beschenkten beginnen umgehend mit dem Bau, und bald ist die allererste Kirche „Der lieben Frau vom Schnee“ fertig – der tausende weitere in aller Welt folgen werden!

Fast 1500 Jahre später steht auf Gottes Plan, dass es wieder mal Zeit für ein neues Kirchlein sei. Maria also erhält wieder den Auftrag, sich unverzüglich auf den Weg zur Erde zu machen.

„Aber bitte auf keinen Fall nach Rom, schon gar nicht nach Jerusalem. In Saragossa, Kostantinopel und Potschajiw haben wir durch dich schon superschöne Kirchen, und Fatima, Medjugorje und Guadalupe brauchen im Moment noch keine neuen. Such mir dieses Mal bitte einen besonderen, außergewöhnlichen Ort, am besten auf einem Hügel mit viel Weitblick, wo der Wind auch seinen Spaß haben kann. Kein Trubel, kein Getöse, sondern Ruhe, Stille und viel Natur rundherum. Flieg am besten gleich los, gutes Gelingen und Amen.“

Dank dieser perfekten und eindeutigen Beschreibung landet Maria natürlich, klar, wo denn sonst, in der Buckligen Welt, auf einem der 1000 Hügel, haarscharf in Kaltenberg. Zu ihrer Verwunderung steht dort jedoch bereits ein Kirchlein, noch dazu eines, das ihrem Schneewunder gewidmet ist. Da der Bau ziemlich desolat wirkt, denkt sie sich, dass es wohl effizienter wäre, dieses Gotteshaus herzurichten, vielleicht ein bisschen zu vergrößern, anstatt irgendwo was Neues hinzuzaubern. Dafür aber muss wieder mal ein kleines Wunder her.

Nun will es der Zufall, dass Maria just in dem Augenblick in der heruntergekommenen Kirche auf dem Hügel landet, als sich dort auf einem halb verrotteten Betstuhl die Antonia, Tochter armer Bauersleute, Keuschler, gerade hingekniet hat. Maria hört, wie das junge Ding sie, die heilige Mutter, anruft, sie möge ihr doch Glück und Segen in Form eines braven, ehrlichen und wenn möglich hübschen Burschen bringen. „Ich versprech dir auch bei meinem Leben, dass ich dann diesen Betschemel reparieren lass.“ Maria ist so gerührt über diesen Wunsch und vor allem über den in Aussicht gestellten schönen Betstuhl, dass sie spontan und ohne viel nachzudenken ein bisschen Sternenstaub samt Engelglitter über das Mädchen streut und dann glücklich und zufrieden, den Auftrag so perfekt erfüllt zu haben, gen Himmel fährt.

Der „Genussvolle Blick“ zwinkert dir lächelnd zu, weil du das Ende der Geschichte ja schon kennst: Sternenstaub samt Engelglitter müssen eine enorme Wirkung gehabt haben, denn die Antonia bekam ein anständiges Mannsbild aus Wien, noch dazu eines mit einem stattlichen Vermögen. Nach dem Dahinscheiden des einen kam ein anderer, ein nicht ganz so nettes Franzosenmännlein, dem sie aber immerhin den Aufstieg von der einst armen Bauerndirn aus Kaltenberg in allerfeinste adelige Gesellschaft zugutehalten konnte. Doch trotz allen Glücks vergaß die Antonia nie, wem sie dies alles zu verdanken hatte: den Augenblicken des Gebets auf dem halbverrotteten Betschemel, als sie die Gottesmutter anrief!

Sie war es, die die Wallfahrtskirche Maria Schnee ausbauen, den Armen und Bedürftigen ein Haus bauen ließ und natürlich auch nicht auf den Betschemel vergaß, der noch heute wie eine Treppe in den Himmel hier heroben, auf einem der 1000 Hügel, auf all die Menschen wartet, die auf der Suche nach Stille und Einkehr, Glaube und Hoffnung sind …

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